Verrechnungspreise: die aktuellen Themen Teil 2
Live Online Fachtagung Operatives Verrechnungspreismanagement 2023
Am Nachmittag des 30. November 2023 erhielten wir mit dem dritten und vierten Vortrag der Live Online Fachtagung Operatives Verrechnungspreismanagement spannende Einblicke in die Praxisberichte von Dr. Martin Lagarden, Head of Global Transfer Pricing bei Henkel und Sung Krasny, Transfer Pricing Manager bei Zentis. Den Abschluss des ersten Tages bildete der Software-Workshop von André Jaekel, Operational Transfer Pricing Senior Manager bei Optravis. Die Automatisierung von Verrechnungspreis-Prozessen (im Folgenden mit VP-Prozesse abgekürzt) war das Kernthema des Nachmittags.
Sie haben Teil 1 noch nicht gelesen? Hier geht es zur Zusammenfassung der ersten beiden Vorträge und somit Teil 1 unserer FachNews Reihe Verrechnungspreise – die aktuellen Themen.
Vortrag 3: Praxisbericht zur Automatisierung von VP-Prozessen für Warentransaktionen
Dr. Martin Lagarden, Head of Global Transfer Pricing bei Henkel präsentierte in seinem Vortrag einen Praxisbericht zur Automatisierung von VP-Prozessen für Warentransaktionen. Mit einer Präsenz in 79 Ländern, acht regionalen Zentren und sieben Shared Service-Centern in vier Regionen (Stand 2022) wird es durch die Anzahl der Liefer- und Leistungsbeziehungen schnell komplex. Das Thema Automatisierung ist deshalb eine notwendige Nebenbedingung in den kommenden Jahren.
Zum Verständnis der Anforderungen im Rahmen der Automatisierung wurde zunächst der besondere Kalkulations- und Ergebnisrechnungsaufbau bei Henkel erläutert. Es gibt einen sogenannten „Nettolenkungspreis“ und den Transferpreis. Der „Nettolenkungspreis“ dient der internen Steuerung des Geschäfts und der Transferpreis erfüllt die steuerlichen Anforderungen. Dadurch gibt es bei Henkel zwei Zuschlagssätze. Der Mark-up 1 (Controlling) leitet von den Herstellkosten zum „Nettolenkungspreis“ über. Der Mark-up 1 rechnet zu den Standard-Herstellkosten alle weiteren der (Intercompany-) Warentransaktion zurechenbaren Kosten. Es handelt sich damit um Vollkosten. Der Mark-up 2 (Steuerabteilung) ist nötig, um die steuerlich geforderte Marge zu erreichen. Zusammen mit extern anfallenden Fracht- und Lagerkosten (ohne Gewinnzuschlag) ergibt sich der Transferpreis. Zu beachten ist, dass die Gewinnzuschläge auch kostensenkend sein können.
Durch diesen Aufbau kann nicht nur ein Standardkalkulationsschema genutzt werden, er ermöglicht auch in der Ergebnisrechnung intern vs. extern mit unterschiedlichen Daten zu arbeiten. Sowohl bei der liefernden Produktionseinheit als auch bei der Vertriebseinheit kann also ein EBIT vor bzw. nach Verrechnungspreiseinflüssen gezeigt werden. Damit kann Henkel in einem 1-Kreis-System in SAP dieselbe Trennung zwischen Controlling-Sicht und steuerlicher Sicht erzeugen wie ein 2-Kreis-System, aber ohne den zugehörigen Aufwand in der Systempflege. Zugleich erleichtert das Vorgehen die Kommunikation zum Management.
Ein Schwerpunkt waren die Praxiserfahrung mit der Automatisierungslösung von Optravis und der Steuerungsprozess aus Price Setting / Interner Abstimmung / Upload & Anwendung der Mark-ups / Outcome Testing:
Abgerundet wurde der Vortrag mit Praxis-Tipps zu Joint Audits und Behavioral Transfer Pricing.
Vortrag 4: Praxisbericht zur Automatisierung von VP-Prozessen für interne Leistungsverrechnungen
Weiter ging es mit dem Vortrag von Sung Krasny, Transfer Pricing Manager bei Zentis. Sie zeigte die bisherige Vorgehensweise von der Konzeption und den Prozessen, eine Situation, die für viele Unternehmen typisch sein dürfte:
Dazu gehört auch der intensive Einsatz von Excel, hoher manueller Berechnungsaufwand im Controlling und nur eine Teilautomatisierung im Rahmen der Rechnungstellung und Buchung. Insgesamt leidet nicht nur die Effizienz, auch die Genauigkeit und Transparenz nehmen ab, was Ad-hoc-Analysen erschwert und den Aufwand bei der Dokumentation der IC-Transaktionen erhöht. Um möglichst viele Probleme zu lösen, zeigte Sung Krasny eine detaillierte Kriterienliste für die Auswahl eines Verrechnungstools.
Darüber hinaus teilte sie wichtige Hinweise zu vorbereitenden Tätigkeiten, welche die Implementierung der Software erleichterten. Dazu gehörte u.a. die Homogenisierung der angewandten Schemata für Verrechnungen, die Reduktion von Einzelabrechnungen, die Anpassung von Allokationsschlüsseln oder auch Anpassungen bei der Datenqualität. Die Zeitschiene von rund 1 ½ Jahren wurde dargestellt – beginnend mit den ersten konzeptionellen Optimierungen, über die erstmalig erfolgte Planung mit dem Tool, bis hin zur ersten Ist-Verrechnung einer Routinegesellschaft. In diesem Frühjahr sollen nach knapp 2 Jahren alle relevanten Gesellschaften an das neue System angeschlossen sein. Abschließend teilte sie erste Erfahrungen dazu, welche Veränderungen sich durch den Einsatz des Service Charge Tools bereits ergaben. Als die wichtigsten Veränderungen nannte sie die Verbesserung beim Ressourceneinsatz und die höhere Akzeptanz durch die Shareholder.
Workshop 1: Praxisbericht zur Automatisierung von VP-Prozessen für interne Leistungsverrechnungen – Live Demo
Den Abschluss des ersten Tages bildete der Workshop von André Jaekel, Operational Transfer Pricing Senior Manager bei Optravis zur Automatisierung von VP-Prozessen für Interne Leistungsverrechnungen. Es war nicht nur betriebswirtschaftlich die logische Fortsetzung des vorigen Vortrags sondern auch technisch, da es sich um die bei Zentis eingesetzte Software handelte.
Bereits während der vorangegangenen Fachtagung Operatives Verrechnungspreismanagement im Jahr 2021 war der Vortrag von André Jaekel auf großes Interesse gestoßen. Die damals vorgestellte Lösung basierte auf Excel. Diesmal war sie bereits in die Software-Lösung von Optravis integriert. Grund also, sich Umsetzung und Weiterentwicklung in einer Live-Demo anzuschauen.
Nach einer ersten kurzen Übersicht über die grundsätzlichen Möglichkeiten der Software und einer kurzen Darstellung zum typischen Projektvorgehen (z.B. passen Daten und Systeme, Beschaffenheit des Transferpreis-Modells, Implementierung, Testing und Go-Live) ging es in die Live-Demo. Hauptthemen waren unter anderem mehrstufige Verrechnungen, Schleifen in der Verrechnung und Mark-ups auf wertschöpfende Kosten („value-added“) vs. Kostenweiterbelastung ohne Marge („pass-through“) bzw. mit geringer Marge. Darüber hinaus ging es um unterschiedlichste Arten des Inputs von Daten, Datenausgabe (Grafiken, Tabellen), Abgrenzung und Umgang mit Stewardship-Expenses, Filter nach Wesentlichkeit, Detaillierungsgrade, Obergrenzen der Weiterberechnung nach absoluter oder relativer Grenze, die Analyse nach Sendern bzw. Empfängern, Empfängergruppen und Ausschlüsse sowie Anreicherung der importierten Daten in der Software (z.B. um Servicetyp, Vertrag, Transaktion). Die Wechselkursthematik, Mapping mit Debitoren / Sales Order / Material, Datenübergabe (z.B. nach SAP) und Rechnungsstellung, Rückschreiben von Daten ins ERP-System, Reporting / Analysemöglichkeiten und Datenexport, IC-Matrix, automatisierte Warnfunktionen und TP-Dokumentation wurden ebenfalls thematisiert.
Die Teilnehmenden stellten zahlreiche Fragen und das Interesse an der Live-Demo war groß.
Ausblick: So geht es weiter in Teil 3
Über die nächsten Vorträge berichten wir in Teil 3 unserer FachNews Reihe Verrechnungspreise – die aktuellen Themen. In diesem Beitrag fassen wir die Praxisberichte von Tag zwei der Fachtagung Operatives Verrechnungspreis Management von Stefan Rüther, Head of Intercompany Systems bei der Continental AG, Dr. Markus Schneider, International Tax Director der Bayer AG und Stefan Lohmüller, Operational Transfer Pricing Manager der Drägerwerk AG & Co. KGaA zusammen.
Teilen Sie Ihre Erfahrungen und halten Sie einen Vortrag auf unserer nächsten Fachtagung Verrechnungspreise
Haben Sie ein Projekt im Bereich Verrechnungspreise durchgeführt – aus steuerlicher oder betriebswirtschaftlicher Sicht? Haben Sie Erfahrungen gemacht, die Sie gerne mit anderen teilen wollen?
Dann werden Sie Referent oder Referentin auf unserer nächsten Fachtagung Verrechnungspreise! Treten Sie mit mir in Kontakt und schicken Sie mir einfach eine kurze Mail an: g.kleinhietpass@ca-akademie.de
Ich freue mich auf Sie!
Autor
Guido Kleinhietpaß
Partner und Trainer der CA controller akademie
Herausgeber sowie Autor des Buchs Verrechnungspreise