Bilanzierung von Rückstellungen, Teil I
In einer Beitragsserie für das Controller Magazin beschäftigen sich die Referenten des CA institute for accounting & finance, Thomas Amann und Carsten Ernst, mit der Bilanzierung von Rückstellungen nach IFRS, HGB und Bilanzsteuerrecht. Im ersten Teil, der im CM 1/2016 erschienen ist, legen sie den Schwerpunkt auf die Prüfung der Ansatzvoraussetzungen für Rückstellungen in IFRS-Abschlüssen sowie deren Ausweis und Abgrenzung zu Eventualverbindlichkeiten und sonstigen Schulden. In einem zweiten Teil wird es dann um die Bewertung von Rückstellungen nach IFRS gehen und um die zentralen Abweichungen gegenüber dem HGB und dem Bilanzsteuerrecht.
Zentrale Norm für den Ansatz sowie die Bewertung von Rückstellungen ist der Standard IAS 37.
Allerdings handelt es sich hierbei um einen “Auffangstandard”, also einen, der erst dann zur Anwendung kommt, wenn im konkreten Fall kein speziellerer Standard zum Tragen kommt. Die Wahl des “richtigen” Standards ist somit bereits eine nicht ganz triviale Aufgabe für die Praxis.
Grundsätzlich ist der Ansatz einer Rückstellung gem. IAS 37.14 nur dann möglich, wenn kumulativ die folgenden Voraussetzungen vorliegen, nämlich dass:
- einem Unternehmen aus einem Ereignis der Vergangenheit eine gegenwärtige Verpflichtung (rechtlich oder faktisch) entstanden ist
- der Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen zur Erfüllung dieser Verpflichtung wahrscheinlich ist
- eine verlässliche Schätzung der Höhe der Verpflichtung möglich ist.
Was überschaubar aussieht, solange man sich an der Oberfläche bewegt, wird nach dem Eisbergprinzip zu einem hochkomplexen Thema, sobald man tiefer in die Materie eintaucht. Wann liegt ein verpflichtendes Ereignis (“obligating event”) vor? Nur, wenn dieses Ereignis eine rechtliche oder faktische Verpflichtung schafft, der sich das Unternehmen realistischerweise nicht entziehen kann. Wann liegt ein vergangenes Ereignis (“past event”) vor? Nämlich dann z.B. nicht, wenn eine Fluggesellschaft gesetzlich zur Überholung von Flugzeugen verpflichtet ist, weil sie diese Verpflichtung dadurch umgehen könnte, dass sie die Flugzeuge verkauft oder den Betrieb einstellt.
Wenn es – nach Auslotung des gesamten Eisbergs, um im Bild zu bleiben – an den Voraussetzungen zum Ansatz einer Rückstellung fehlt, so ist ggf. eine Eventualverbindlichkeit (“contingent liability”) im (Konzern-)Anhang anzugeben. Dies aber auch nur, wenn es sich um eine “mögliche” Verpflichtung handelt und diese nicht “unwahrscheinlich” ist.
Es ist und bleibt also komplex, dennoch können sich Controllerinnen und Controller bei diesen Themen nicht wegducken, da die Lösungen – eigentlich eine gute Nachricht für den Berufsstand – oftmals einer betriebswirtschaftlichen Logik folgen, für deren Zurverfügungstellung Controllerinnen und Controller aufgerufen sind.
Der komplette Artikel von Amann und Ernst erschien im Controller Magazin, Ausgabe 1, Jan./Feb. 2016, S. 29-34, controllermagazin. Die Bilanzierung von Rückstellungen ist insbesondere Inhalt des Seminars Hot Topics: Rückstellungen.
Conrad Günther