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Analyse von Jahres- und Konzernabschlüssen in Zeiten von Corona
Die hohe Unsicherheit über die zukünftigen Entwicklungen im Zuge der Corona-Pandemie liefert vielfältige Herausforderungen für die Unternehmenspraxis. Entscheidungsträger sehen sich mit der Aufgabe konfrontiert, das Unternehmen möglichst sicher durch die Krisenphase zu navigieren. Investoren und Analysten wiederum versuchen zu beurteilen, wie erfolgreich dies voraussichtlich gelingen wird. Dazu analysieren sie die veröffentlichten Finanzberichte zum Geschäftsjahr 2020, um hieraus neben der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens auch dessen zukünftige Entwicklung bestmöglich einzuschätzen. Diese Aufgabe ist auch in gewöhnlichen Zeiten schon schwierig genug. In Zeiten der Corona-Pandemie ist sie nochmals herausfordernder.
Abschlussanalyse ist mehr als reine Kennzahlenberechnung
Eine aussagefähige Abschlussanalyse erfordert ein tiefgreifendes Verständnis sowohl des zu analysierenden Unternehmens als auch der angewandten Bilanzierungsnormen. Ein reiner oberflächlicher Vergleich von Bilanzkennzahlen mit dem Vorjahr und mit Benchmark-Unternehmen war ohnehin nie empfehlenswert. In Krisenzeiten nimmt die Bedeutung einer detaillierten Auseinandersetzung mit den ergänzenden Angaben in Anhang und Lagebericht allerdings nochmals zu. Abschlussadressaten müssen verstehen, welche Bereiche der Finanzberichterstattung auf unterschiedliche Weise durch die Krise beeinflusst sind und was sich hieraus über die zukünftige Entwicklung und spezifische Risiken im Unternehmen schlussfolgern lässt.
Werthaltigkeit im Fokus der Finanzberichterstattung
Im Fokus der Finanzberichterstattung in Corona-Zeiten steht u.a. die Werthaltigkeit des bilanzierten Vermögens. Dies betrifft nicht nur das langfristige Vermögen. Auch Vorräte können aufgrund veränderter Veräußerungsmöglichkeiten einer Wertminderung zu unterziehen sein. Zudem sind Forderungen derzeit verstärkt ausfallgefährdet, was höhere Abwertungen erfordern kann.
Im Bereich des langfristigen Vermögens ist neben Sach- und Finanzanlagen ein besonderes Augenmerk auf das immaterielle Vermögen gerichtet. Vor allem die oftmals hohen Goodwill-Bestände in Konzernbilanzen sind in Hinblick auf deren Werthaltigkeit kritisch zu hinterfragen. Dies trifft umso mehr für die Rechnungslegung nach IFRS zu, da – anders als nach HGB – der Goodwill hier nicht planmäßig abgeschrieben wird und sich somit nicht „automatisch“ im Zeitablauf reduziert. Die entsprechend durchzuführenden Impairment-Tests unterliegen einer Reihe an Schätzungen und Ermessensspielräumen. Um deren Einfluss zu erkennen, hilft nur ein Blick in den Anhang, in dem u.a. die wesentlichen Bewertungsannahmen beschrieben sind.
Risiken werden in Anhang und Lagebericht offengelegt
Der Anhang dient jedoch nicht nur der Erläuterung von Bilanzposten. Auch zusätzliche Informationen wie weitere nicht bilanzierte finanzielle Verpflichtungen werden im Anhang berichtet. Gerade in Krisenzeiten ist auf solche „versteckten“ Risiken besonders zu achten. Eine umfassende Darstellung der relevanten Risikofaktoren liefert zudem die Risikoberichterstattung im Lagebericht. Bei besonders gefährdeten Branchen stellt sich regelmäßig auch die Frage nach der Fortführungsfähigkeit des Unternehmens. Sollten entsprechende Risiken bestehen, ist auch auf diese in den Finanzberichten einzugehen.
Auf die besonderen Schwierigkeiten bei der Abschlussanalyse von durch die Corona-Pandemie geprägten Geschäftsberichten gehen wir auch im Rahmen unseres Seminars „Jahresabschlussanalyse“ in weiteren Details ein. Um aktuelle Herausforderungen bei der Bilanzierung nach IFRS im Blick zu behalten, empfehlen wir zudem unser Seminar „IFRS – aktuelle Entwicklungen und Praxisfragen“.
Autor: Dr. David Shirkhani, M.Sc., Referent bei Rödl & Partner im Bereich Capital Markets & Accounting Advisory Services, zu Themen der nationalen und internationalen Rechnungslegung sowie in der Abschlussprüfung und Grundsatzarbeit.