Die richtige Zeit für Investitionen?
Wenn ich Teilnehmer der Stufe II – Financial & Management Accounting beim Thema Investitionscontrolling auf die Schwerpunkte ihrer Investitionstätigkeit anspreche, dann kommen meist Themen wie Digitalisierung und Automatisierung. Es beruhigt mich zu hören, dass Firmen in die Modernisierung ihrer IT investieren. Zugleich beunruhigt mich jedoch, dass ich beispielsweise kaum von Investitionen in anderen Ländern höre. Falls Sie diesen Gedanken gerade angesichts der aktuellen Umstände in einem schwierigeren ökonomischen Umfeld mit eher hoher Inflation, hohen Fremdkapitalzinssätzen oder andauernden Schwierigkeiten in der Lieferkette eher absurd finden, dann möchte ich dem mit diesem Beitrag gerne etwas entgegensetzen.
Globalisierung – die Probleme in den Lieferketten
Der erste Gedanke kommt aus der Globalisierung: Woher kommen eigentlich die aktuellen Probleme der Lieferkette? Kommen sie daher, dass wir aus zu vielen Ländern gleichzeitig beziehen? Oder kommen sie nicht vielmehr daher, dass wir Globalisierung damit verwechselt haben, dass wir fast ausschließlich in einzelne Länder investiert haben? Das möglicherweise nächste große Problem in der Lieferkette könnte China heißen. Vielleicht gehören Sie auch zu den Unternehmen, die dort stark, oder sogar einseitig stark investiert haben. Der lokale Bezug aus China ist noch lange nicht mit Globalisierung gleichzusetzen. In diesem Falle lautet die Lösung nicht, mehr in Deutschland investieren und Kapazitäten dort aufzubauen, sondern sich weitere Länder zu suchen. Die Stabilisierung der Lieferketten geht also weit über die kurzfristige Ersatzbeschaffung oder die Fragen der Finanzierung des Working Capitals hinaus.
Antizyklisches Handeln
Der zweite Gedanke hat mit der Empfehlung zu tun, möglichst antizyklisch zu handeln. Wenn man es sich leisten kann, dann steigert man die Werbung, wenn es die Wettbewerber nicht können. Dann sucht man die knappen Fachkräfte am Arbeitsmarkt, wenn andere Arbeitgeber abbauen (zum Beispiel IT-Mitarbeiter). Das gilt genauso für Investitionen in neue Standorte. Gerade jetzt konkurrieren sie weniger stark um attraktive Flächen oder qualifizierte Arbeitskräfte. Möglicherweise gibt es sogar besonders attraktive Konditionen für die Ansiedlung von Unternehmen wie beispielsweise Subventionen oder tax holidays.
Die Risiken
Diesen Chancen stehen natürlich auch Risiken entgegen. Der eingangs erwähnte drohende konjunkturelle Abschwung gehört genauso dazu wie die Gefahr steigender Zinsen. Jüngere Kollegen haben zwar in ihrer Ausbildung oder dem Studium intensiv von der Bedeutung des Risikomanagements gehört, aber wie dies konkret in einem Excel-Template zur Investitionsrechnung umgesetzt wird, das wissen viele nicht. Dies zeigt auch meine Erfahrung bei einfachsten Übungsaufgaben im Seminar sehr deutlich.
Die Finanzierung, gerade in der aktuellen Zeit ein besonderes Thema, kommt hier nicht besser weg. Die gerade in vielen Finanzabteilungen stattfindende Umstellung der Finanzierung kommt nicht in den Rechenmodellen der meisten Kolleginnen und Kollegen an. Dabei ist die Ermittlung der gewichteten Kapitalkosten (wacc) prinzipiell nicht schwierig. Doch schon bei der Aufstellung der Zahlungsreihe wird nicht darauf geachtet, ob der wacc vor oder nach Steuern ermittelt wurde oder an welcher Stelle und wie die Steuern zu ermitteln sind. Und für die Frage, wie sich die Tilgungszeitpunkte der unterschiedlichen Finanzierungsvarianten auf die Kapitalwerte der Investitionen auswirken könnten, haben sich die meisten noch nie gestellt. Kein Wunder, da Begriffe wie der modifizierte interne Zinsfuß oder der vollständige Finanzplan meist Fremdworte sind. Selbst einfache Größen wie der interne Zinsfuß werden meist falsch, nämlich als „die Rendite der Investition” interpretiert.
Es gibt sogar eine Reihe von Unternehmen, die eine Investition danach beurteilen, wie sich die Kosten (z.B. Herstellungskosten) oder der Gewinn verändern. Da kommen Begriffe wie Inflation, gewichtete Kapitalkosten oder Tilgungszeitpunkte erst gar nicht vor. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die langen Jahre des günstigen Geldes zu einer Nachlässigkeit bei der Beurteilung von Investitionen geführt haben. So betrachtet sind die Investitionen mancher Firmen tatsächlich stark risikobehaftet. Weniger, weil die Investitionen unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht durchführbar wären, sondern, weil sie nicht sauber gerechnet und auf Risiken geprüft werden.
Mein Tipp
Insofern war dieser Beitrag fast wie ein kleiner Selbsttest. Wenn Ihnen bei manchen der fachlichen Aussagen Fragen gekommen sind, was das Rechenmodell in Ihrer Entscheidungsvorlage tut, oder wie Finanzierung und Tilgung auf den Kapitalwert wirken, dann lade ich Sie herzlich zum nächsten Fachseminar Investitionscontrolling ein.
Ich freue mich darauf, mit Ihnen diese und viele andere Fragen zur Investitionsrechnung zu diskutieren und Hilfestellung bei Ihren konkreten Investitionsvorhaben zu geben!
Alle kommenden Termine:
- Investitionscontrolling vom 10. – 12.06.2024 in Köln
- Investitionscontrolling Online vom 11. – 13.11.2024
Autor: Guido Kleinhietpaß, Partner und Trainer der CA controller akademie