Verrechnungspreise – die neuen Verwaltungsgrundsätze (2021, Teil 4)
In unserer Reihe zu den neuen Verwaltungsgrundsätzen des BMF haben wir noch nicht über die Veränderungen bei Verlustsituationen und immateriellen Vermögensgegenständen gesprochen. Letztere haben nicht erst im Rahmen der Digitalisierung erheblich an Bedeutung gewonnen. Nach einer Untersuchung von Ocean Toma, LLC ist der Anteil der Intangible Assets am Marktwert der S&P 500 von 17% im Jahr 1975 auf 87% in 2015 gestiegen (zitiert nach TAXAND, Nov 2018, „DEMPE-of-Intangibles“, S. 4). Dem trägt nun auch das BMF in den neuen Verwaltungsgrundsätzen Rechnung.
Im Rahmen der immateriellen Vermögensgegenstände wird der Dokumentationsaufwand wohl künftig ansteigen,
weil die DEMPE-Funktionen (Development, Enhancement, Maintenance, Protection & Exploitation) in einer eigenen Funktions- und Risikoanalyse dokumentiert werden müssen. Damit ist erstens festzuhalten, dass die OCCE-Sicht von der deutschen Finanzverwaltung übernommen wurde.
Zweitens ist wichtig, dass Unternehmen zudem nachweisen sollten, dass auch Kapazitäten zur Risikoübernahme und -kontrolle gegeben sind. Nicht immer können Inhaber oder Eigentümer damit auch die Erträge aus einem immateriellen Wert beanspruchen. Vielmehr ist anderen DEMPE-Funktionsträgern eine fremdübliche Vergütung zu geben. Dies erfolgt unter Verweis auf die BFH-Ausführungen zur funktionsorientierten Vergütung (BFH vom 9. August 2000, I R 12/99, BStBl II 2001).
Drittens ist wichtig, dass die Anwendung des DEMPE-Konzepts auf alle offenen Fälle, d.h. ab sofort, erfolgen soll. Die zugehörige Rechtsgrundlage, das AbzStEntModG gilt aber erst ab dem Veranlagungszeitraum 2022. Möglich, dass dies zu Streitigkeiten führt, die vor Gericht landen. Es bleibt also abzuwarten, ob die BMF-Position einer Überprüfung standhält.
Den Marken und Unternehmenskennzeichen ist innerhalb der immateriellen Vermögensgegenstände nach den Grundsätzen (Kapitel III, F.1) und den DEMPE-Funktionen (Kapitel III, F.2) ein eigener Abschnitt (Kapitel III, F.3) gewidmet. Dabei wird zwischen der grundsätzlichen Entgeltfähigkeit und der Frage der Werthaltigkeit als weiterer Prüfstufe unterschieden. Der Fall, dass Marke und Unternehmenskennzeichen identisch (oder wirtschaftlich untrennbar) sind, wird eigens mit 3 Varianten beispielhaft erläutert. Kritisch ist jedoch die Unterstellung, dass beim Vertrieb von Markenerzeugnissen „der wirtschaftliche Vorteil hieraus bereits im Abgabepreis für diese Erzeugnisse berücksichtigt wurde“. Wobei die “Hintertür” eines separaten Ausgleichs „von Vor- und Nachteilen bei gesonderter Inrechnungstellung“ gemäß der Grundsätze in F.1 besteht.
Die fremdübliche Lizenzhöhe bei Markenrechten soll anhand des hypothetischen Fremdvergleichs festgestellt werden
Wobei zugleich eine Obergrenze für die Lizenz gilt: Das Lizenz zahlende Unternehmen muss ein angemessenes Betriebsergebnis aus der Nutzung der Lizenz erwirtschaften können. Folgt daraus nun, dass bei einem als eher gering anzusehenden Betriebsergebnis eine Lizenzgebühr entfällt, weil sonst das verbleibende Betriebsergebnis nicht mehr angemessen hoch wäre? Der aktuell durchaus nicht ungewöhnliche Rückgriff auf Datenbankstudien ist damit erst gar nicht in Betracht gezogen worden. Hier wird de facto unterstellt, dass nur bei Lizenzierung desselben Markenrechts an fremde Dritte die Möglichkeit besteht, einen Fremdvergleich für Marken durchzuführen. Das mag angesichts der Vielzahl von Markenbewertungsmodellen im Rahmen des Kommunikations-Controllings, wo die Nutzenermittlung recht vage und unscharf ausfällt, ein vernünftiger Ansatz sein. Allerdings werden in anderen steuerlichen Bereichen Datenbanken, deren Qualität ja durchaus nicht immer als tadellos zu bezeichnen ist, gern zugelassen. Insofern scheint die Einengung auf den hypothetischen Fremdvergleich recht streng zu sein.
Verlustsituationen sind in den Verwaltungsgrundsätzen neuerdings als eigener Punkt (Kapitel III, C.5) dargestellt
Für Nicht-Strategieträger gilt, dass innerhalb von 5 Wirtschaftsjahren ein angemessener Gesamtgewinn zu erzielen ist. Dabei ist auf das handelsrechtliche Ergebnis vor Steuern (sowie ggfs. Ergebnisabführung) abzustellen – also das EBT. Damit wird nicht das sonst übliche Betriebsergebnis (EBIT) als Ergebnisgröße gewählt. Das scheint abgestimmt auf Rn 3.37, in der ausgeführt wird, dass kapitalausgleichende Maßnahmen seitens anderer Konzernunternehmen als Indiz dafür herangezogen werden, dass „die Fortführung der unrentablen Geschäftstätigkeit im (Mit-)Interesse der multinationalen Unternehmensgruppe liegt“.
Im Rahmen von C.5 wird jedoch an keiner Stelle darauf eingegangen, ob nicht auch die Unternehmensgruppe insgesamt oder die direkten Transaktionspartner ebenfalls Verluste aufweisen. Ein Sachverhalt, der in schrumpfenden Branchen oder Branchen mit starkem Wandel aufgrund gesetzgeberischer Eingriffe oder technologischer Veränderungen von wesentlicher Bedeutung sein dürfte.
Solche Themen als mögliche Erklärung nicht zuzulassen, sondern „grundsätzlich davon auszugehen, dass
- die Verrechnungspreise unangemessen sind,
- Geschäftsvorfälle nicht identifiziert und bepreist wurden, oder
- Aufwendungen durch Interessen anderer Gruppenmitglieder mitverursacht sind“,
scheint eine unzulässige Einschränkung seitens der Finanzverwaltung zu sein.
Hinzu kommt, dass ein weiterer Aspekt in den Verwaltungsgrundsätzen nicht angesprochen wird, der jedem operativ tätigen Controller sofort ins Auge springen dürfte: Die Finanzverwaltung unterscheidet im Rahmen der Verlustsituation nicht danach, ob die Verluste aus Transaktionen mit verbundenen Unternehmen entstehen oder aus Transaktionen mit fremden Dritten bzw. dass es über die Jahre eine Verschiebung zwischen diesen beiden Einflussfaktoren gegeben haben könnte. Gerade das, was im Rahmen einer Ergebnisanalyse in Segmentsichten (GuV) bzw. in mehrdimensionalen Analysen einer DB-Rechnung zu den Kernfunktionen des Controllings gehört, wird hier ignoriert. Zumindest sollte man vernünftiger Weise annehmen dürfen, dass sich steuerliche Korrekturen auf die Beträge beschränken, die aus konzerninternen Transaktionen resultieren.
Daraus lässt sich eine wichtige Erkenntnis an gute Controlling-Systeme ableiten:</span style=”font-weight:bold;”> Es braucht eine gut aufgestellte Kostenrechnung mit exakt definierten OLAP-Würfeln als Basis der Ergebnisrechnung. Insbesondere der Verzicht auf Umlagen in der internen DB-Rechnung ist hier zu nennen. Das dient nicht nur der Verbesserung der eigenen Entscheidungsqualität, sondern dient auch der Erklärungsfähigkeit gegenüber der Finanzverwaltung. Die im Steuerrecht durchaus bekannten Kostenumlagen (Kapitel III, H der neuen Verwaltungsgrundsätze) und die ebenfalls bekannten Konzernumlagen (Kapitel III, G.2.3) sind aus controllerischer Sicht ja leider alles andere als hilfreich. In Rn. 3.78 wird bedauerlicher Weise weiterhin der Umsatz als sachgerechter Verteilungsschlüssel genannt. Bereits in Stufe 1 unseres Controller Trainingsprogramms in fünf Stufen zeigen wir, wie katastrophal eine Umlage gemäß Umsatzschlüssel Informationen zerstört und Fehlentscheidungen fördert. Aber was schlecht ausgebildeten Controllern recht ist, ist der Finanzverwaltung offensichtlich billig.
Das gilt gleichermaßen für die Berechnung auf Basis von Istkosten
Schlimmer noch: In Rn 3.79 wird sogar verlangt, dass eine zunächst auf Plankosten durchgeführte Berechnung spätestens am Jahresende mit den Istkosten abzugleichen ist. Controllerisch ist das die Förderung von Ineffizienz. Man mag ja zu dem Schluss kommen, dass Ressourcensteuerung nicht Ziel und Aufgabe der Finanzverwaltung sei, sondern die Sicherung des Steuersubstrats und die Erzielung angemessener Steuereinnahmen. Aber unangemessen hohe Istkosten werden eben nicht nur von Deutschland an die Tochterunternehmen der Gruppe exportiert, sondern genauso von ausländischen Konzernmüttern an deutsche Tochterunternehmen belastet. Da gilt, wie in einem anderen Teil unserer kleinen Reihe bereits ausgeführt wurde, die Bindungswirkung für die Verwaltung. Sie gilt in beide Richtungen: Inbound und Outbound.
Zu guter Letzt sei noch Kritik an den oben genannten 5 Jahren genannt.
So wie unterschiedliche Branchen höchst unterschiedliche Investitionszyklen, F&E-Zyklen oder Dauern für den Ramp-up in der Produktion haben, muss auch die Verlustdauer branchenspezifisch (und vielleicht auch spezifisch für den Wirtschaftsraum oder den Vertriebsweg) betrachtet werden. Es kann nicht sein, dass die Finanzverwaltung mit 5 Jahren eine “Einheitsbranche” definiert, die alle existierenden Unterschiede ignoriert. Dazu braucht es nicht einmal Branchenkenntnis oder die Einblicke eines Consultants – es genügt der tägliche Blick in die Zeitung, um z. B. Fehlschläge im Bereich der Pharmaforschung oder die mehrjährigen Anlaufverluste in digitalen Geschäftsmodellen vor Augen geführt zu bekommen.
Das waren aus Sicht des Verfassers dieser Serie einige wichtige Aspekte. Es sprengt den zeitlichen Rahmen alle Einzelheiten darzustellen. Das kann gründlich nur in einem Seminar geschehen bzw. ausgewählte Punkte können im Rahmen einer Tagung vertieft werden. Dazu eine herzliche Einladung. Allen Controllerinnen und Controllern, die nur einen einfachen Einstieg ins Thema der Verrechnungspreise wünschen – als steuerliche Transferpreise wie auch als interne Leistungsverrechnung – denen sei die Stufe 2 des Stufenprogramms empfohlen.
Autor: Guido Kleinhietpaß, Partner und Trainer der CA controller akademie und Autor des Buchs Verrechnungspreise