Verrechnungspreise – die neuen Verwaltungsgrundsätze (2021, Teil 1)
In unserer Fach-News vom 13. August hatten wir bereits angekündigt, auf die neuen Verwaltungsgrundsätze einzugehen. Das Schreiben vom 14. Juli des BMF veröffentlicht die sogenannten Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise (VWG VP). Dieses 44-Seiten-Dokument (inkl. Anschreiben und Gliederung) ist eine eigene Fach-News wert. Zum einen werden eine Reihe bestehender Verwaltungsgrundsätze ersetzt. Auch das Hornbach-Urteil aus 2018, das wir letztens genannt hatten, findet sich darin wieder. Zum anderen finden sich dort nicht nur bekannte Positionen wieder, wie man aufgrund des zusammenfassenden Charakters zum neuen § 1 AStG vermuten könnte.
Es gibt auch neue Positionen des BMF in dem Papier.
Konkret werden gemäß Kapitel VI, Ziffer 6.1 folgende BMF-Schreiben ersetzt:
- „Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen“ vom 23. Februar 1983 (IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl I S. 218);
- „Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahestehenden Personen mit grenzüber¬schreitenden Geschäftsbeziehungen in Bezug auf Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten, Berichtigungen sowie auf Verständigungs- und EU-Schiedsverfahren (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren)“ vom 12. April 2005 (IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl I S. 570);
- „Anwendung des § 1 AStG auf Fälle von Teilwertabschreibungen und anderen Wertminderungen auf Darlehen an verbundene ausländische Unternehmen“ vom 29. März 2011 (IV B 5 – S 1341/09/10004, BStBl I S. 277);
- „Glossar ‚Verrechnungspreise‘“ vom 19. Mai 2014 (IV B 5 – S 1341/07/10006-01, BStBl I S. 838);
- „Namensnutzung im Konzern“ vom 7. April 2017 (IV B 5 – S 1341/16/10003, BStBl I S. 701);
- „Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung durch Umlageverträge zwischen international verbundenen Unternehmen“ vom 5. Juli 2018 (IV B 5 – S 1341/0 :003, BStBl I S. 743);
- „Wirtschaftliche Gründe, die den Abschluss eines Geschäfts unter nicht „fremdüblichen Bedingungen“ rechtfertigen – EuGH-Urteil vom 31. Mai 2018 in der Rechtssache C-382/16“ vom 6. Dezember 2018 (IV B 5 – S 1341/11/10004-09, BStBl I S. 1305).
Es ist eine echte Verbesserung, dass statt vieler Einzeldokumente nun ein gemeinsames Papier existiert, das die wichtigsten Verwaltungsgrundsätze regelt bzw. über Verweise zumindest indirekt mit beinhaltet.
Spannend sind aber auch die Textziffern 6.2 und 6.3, die den Abschluss (vor dem Anhang) bilden.
Zum einen wird ergänzend noch die Textziffer 1 der Grundsätze zur Anwendung des Außensteuergesetzes (IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl I Sondernummer 1/2004 S. 3) aufgehoben. Zum anderen wird festgelegt, dass das BMF-Schreiben „auf alle offenen Fälle anzuwenden“ sei. Das ist insofern wichtig, weil einige Gesetze (ATADUmsG, AbzStEntModG) erst in Zukunft, d.h. ab dem Veranlagungszeitraum 2022, wirksam werden. So werden Regelungen ohne die entsprechende Rechtsgrundlage für wirksam erklärt. Zugleich bedeutet die Formulierung offener Fälle auch, dass de facto eine Anwendung auf Sachverhalte stattfindet, die unter einer anderen Rechtsgrundlage stattgefunden haben. Ob diese Auffassung des BMF rechtskonform ist, wird sich erst in Zukunft zeigen. Relativierend sei jedoch angemerkt, dass viele Regelungen nicht wirklich neu sind. Viele Sachverhalte wurden eher zusammengefasst (und anders/besser aufbereitet) als dass es sich um inhaltlich neue Positionen handeln würde. Veränderungen betreffen vor allem Dienstleistungen, Finanzierungen, immaterielle Vermögenswerte und Verlustsituationen.
Die erste wichtige Information für alle Leser, die sich nicht regelmäßig mit der Materie befassen lautet: die Unternehmen (Steuerpflichtige) sind grundsätzlich erst einmal nicht an die Verwaltungsgrundsätze gebunden. Die Grundsätze stellen die Rechtsauffassung des Bundesministeriums dar. Man könnte sagen, dass sie eine Vorgabe an die Mitarbeiter der Steuerverwaltung darstellen. Diese sind gehalten, sich danach zu richten. Das bedeutet Licht und Schatten zugleich. Weicht nämlich das Unternehmen von den Verwaltungsgrundsätze ab, dann ist der Konflikt vorprogrammiert. Genauso gilt umgekehrt, dass die Verwaltungsgrundsätze auch Konflikte vermeiden helfen. Der Betriebsprüfer muss die Grundsätze auch gegen sich gelten lassen.
Ein Beispiel soll die letzte Aussage verdeutlichen.
Im Rahmen der Finanzierung vertritt die Verwaltung die Auffassung, dass weder ein Stand-Alone Rating noch ein Group-Rating allein herangezogen werden soll, wenn es um die Beurteilung der Angemessenheit der Zinskosten im Rahmen von Konzerndarlehen geht. Eine inländische Gesellschaft, die eine bessere Bonität als der Konzern hat, würde bei alleiniger Betrachtung des Einzelratings niedrigere Kapitalkosten aufweisen als bei einer ausgewogenen Betrachtung, die auf beiden Ratings beruht. Das Stand-Alone Rating würde zu geringeren Fremdkapitalzinsen und damit zu einem höheren Gewinn führen. Als Folge würde eine höhere Besteuerung im Inland anfallen. Aber weil der Prüfer an die Verwaltungsgrundsätze gebunden ist, muss er beide Ratings in die Entscheidung einbeziehen. Diese Position des BMF ist übrigens neu und folgt nun – erfreulicher Weise – den OECD-Verrechnungspreisleitlinien.
Wie man sieht, lohnt es sich auch für den Steuerpflichtigen, sich mit den Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise zu beschäftigen, weshalb wir das Thema in einer weiteren Folge erneut aufgreifen werden.
Autor: Guido Kleinhietpaß, Partner und Trainer der CA controller akademie und Autor des Buchs Verrechnungspreise