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Der Beta-Faktor in der Unternehmensbewertung
In der Unternehmensbewertung gilt seit vielen Jahren die Discounted Cashflow-Methode (DCF-Methode) als Standardverfahren. Ihr Grundgedanke folgt dem Kapitalwertkalkül der Investitionsrechnung. Dieses besagt, dass der Wert einer Investition den kumulierten Cashflows entspricht, die diese Investition dem Investor liefert. Da diese Cashflows erst in der Zukunft generiert werden, müssen sie durch Diskontierung auf den Zeitpunkt der Entscheidung, also heute, abgezinst werden. Hierfür findet in der Regel der Kapitalkostensatz des zu bewertenden Unternehmens Anwendung (engl. WACC – weighted average cost of capital). Er errechnet sich als:
WACC = rFK * (FK/GK) * (1-t) + rEK * (EK/GK)
rFK = Zinssatz für Fremdkapital
t = kalkulatorischer Steuersatz
rEK = Zinssatz für Eigenkapital
GK = Gesamtkapital
FK/GK bzw. EK/GK stellen die tatsächliche bzw. für die Zukunft angestrebte Ziel-Eigen- bzw. Fremdkapitalquote auf Basis von Marktwerten dar.
Der WACC berücksichtigt also die Renditeforderungen sowohl der Eigen- als auch der Fremdkapitalgeber, da mit jährlichen Cash Flows vor Zinsen gerechnet wird, d.h. mit jenen Cash Flows, auf die sowohl Fremdkapitalgeber als auch Eigentümer einen Anspruch erheben. Der Kapitalkostensatz befriedigt also die Ansprüche jeder Gruppe in Relation zu ihrem geplanten/tatsächlichen finanziellen Beitrag.
Die Bestimmung des Fremdkapitalzinssatzes rFK ist relativ unproblematisch; man orientiert sich meist an bestehenden bzw. zukünftig geplanten Kreditverträgen. Der Einsatz von Fremdkapital hat für das Unternehmen einen Steuer mindernden Effekt, da Zinszahlungen (zumindest grundsätzlich) steuerlich abzugsfähigen Aufwand darstellen und damit das zu versteuernde Einkommen reduziert wird. Diesem Aspekt muss im WACC mit dem Steuerkorrekturfaktor (1-t) Rechnung getragen werden (sog. „tax shield“), sofern dies nicht bereits bei der Berechnung des Cash Flows berücksichtigt wurde.
Die zweite Komponente des WACC, der Eigenkapitalkostensatz rEK, ist schwieriger zu ermitteln. Im Gegensatz zum vorigen Fall gibt es keine ausdrückliche Abmachung mit den Eigentümern, eine bestimmte Rendite zu bezahlen. Dennoch muss diese Rendite hoch genug sein, damit sie potenzielle Investoren dazu veranlasst, Anteilscheine des Unternehmens zu erwerben bzw. die Aktionäre, ihre Anteilscheine zu halten. Rationale, risikoscheue Investoren / Anteilseigner erwarten sich eine Rendite, die sie für die Übernahme eines – im Vergleich zu einer sicheren Geldanlagemöglichkeit – größeren Investitionsrisikos entschädigt. Es darf also angenommen werden, dass sie als „Sockel“ eine Mindestverzinsung in Höhe der z. Zt. für risikolose Anlagen erzielbaren Rendite fordern plus eine Zusatzrendite für die Investition in risikobehaftete Anteilsscheine des Unternehmens (nach „CAPM – Capital Asset Pricing Model“):
rEK = i + β x (rM – i)
i = Zinssatz für risikolose Anlagen
β = Beta-Faktor des Unternehmens
rM = Rendite am Aktienmarkt
Der Risikobegriff des CAPM
Der hier verwendete Begriff Risiko bezeichnet sowohl positive als auch negative Abweichungen vom erwarteten Cash Flow des Unternehmens; er impliziert also auch Chancen. Eine größere Schwankungsbreite (Volatilität) der zukünftigen Zahlungsströme – egal in welche Richtung – bedeutet daher ein höheres Risiko für den Investor. Die Theorie unterscheidet hierbei in systematisches und unsystematisches Risiko.
Abb. 1: Das CAPM sieht eine Vergütung nur für das vom Investor eingegangene systematische Risiko vor
Das systematische Risiko wird auch als allgemeines Marktrisiko bezeichnet. Es enthält alle Faktoren, die dem allgemeinen Umfeld des Unternehmens zugerechnet werden können (Veränderung von Wechselkursen und Rohstoffpreisen, gesetz-geberische Einflüsse, technologische Entwicklungen, Naturkatastrophen, Konjunkturschwankungen etc.). Diese Umwelteinflüsse betreffen alle Unternehmen einer Volkswirtschaft (allerdings in unterschiedlichem Ausmaß). Ihnen kann der Investor auch durch Diversifizierung seines Portfolios nicht entgehen; daher erhält er für die Übernahme dieser Risiken eine „Vergütung“.
Hat das Unternehmen Fremdkapital aufgenommen, so setzt sich das systematische Risiko aus zwei Komponenten zusammen: Neben dem Risiko des operativen Geschäfts muss explizit auch das Risiko der Kapitalstruktur berücksichtigt werden, d.h. ein steigender Verschuldungsgrad erhöht bei gleichbleibendem operativen Risiko das Gesamtrisiko des Unternehmens und damit die Renditeforderung des Eigenkapitalgebers. Der genaue mathematische Zusammenhang zwischen Verschuldungsgrad und Risikozuschlag wird an späterer Stelle noch einmal aufgegriffen.
Das unsystematische Risiko kennzeichnet alle Faktoren, die für ein Unternehmen spezifisch sind, z.B. Qualität der Mitarbeiter, strategische Konzeption, Konkurrenzsituation etc. Diese einzelwirtschaftlichen Faktoren bewirken, dass sich bei identischem Umfeld die Renditen / Zahlungsströme der verschiedenen Unternehmen nicht gleichgerichtet entwickeln. Ein Investor, der sein Kapital breit am Markt streut, kann das unsystematische Risiko (im kapitalmarkttheoretischen Idealfall) vollständig eliminieren. Im Vergleich zur risikofreien Anlage unterliegt ein solches Marktportfolio jedoch immer noch dem systematischen Risiko, daher erhält der Investor die Marktrisikoprämie. Die Marktrisikoprämie berechnet sich als Differenz zwischen der erwarteten Rendite des Marktportfolios und der schon bekannten risikolosen Verzinsung. Da auch die erwartete Rendite des Aktienmarktes nicht verfügbar ist, dienen historische Werte als Näherung.
Der Fachausschuss Unternehmensbewertung des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.; Düsseldorf, empfiehlt vor dem Hintergrund empirischer Untersuchungen, die sehr lange Zeiträume umfassen, die Anwendung einer Marktrisikoprämie vor persönlichen Ertragssteuern für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009 in Höhe von 4,5% – 5,5%. Das heißt in der Vergangenheit konnte ein Anleger mit einem Aktienportfolio im Durchschnitt 4,5 – 5,5 Prozentpunkte p.a. mehr verdienen als mit einem (risikolosen) Anleiheportfolio. Da für die Unternehmensbewertung aber nicht ein Marktrisiko, sondern ein unternehmensspezifisches Risiko ausschlaggebend ist, muss noch eine weitere Größe eingeführt werden, die das systematische Risiko eines Unternehmens ausdrücken soll: Der β-(Beta-)Faktor.
Herleitung und Aussage des Beta-Faktors
Eine der Grundannahmen des CAPM ist die des vollkommenen Kapitalmarktes. Daraus folgt u.a., dass sich das Risiko eines Unternehmens vollständig im Aktienkurs widerspiegelt. Der Beta-Faktor beschreibt nun, in welchem Ausmaß der Kurs einer Aktie die Schwankungen des Gesamtmarktes nachvollzieht, d.h. er setzt die Schwankungen der Aktie ins Verhältnis zu den Schwankungen des Gesamtmarktes. Daher wird er auch als Volatilitätsmaß bezeichnet. Mathematisch errechnet sich der Beta-Faktor als Kovarianz zwischen der Rendite der Aktie und des Marktportfolios cov (rA ; rM), dividiert durch die Varianz des Marktportfolios var (rM):
Die risikolose Kapitalanlage hat ein Beta vom 0, da ihre Kovarianz mit dem Marktportfolio 0 ist. Das Marktportfolio selbst besitzt ein Beta von 1, da die Kovarianz des Marktportfolios mit sich selbst der Varianz des Marktportfolios entspricht.
Ein Beta-Faktor von 1 bedeutet, dass das Wertpapier im selben Maß schwankt wie der Gesamtmarkt. Steigt z.B. die Marktrendite um 5%, so steigt auch die Einzelrendite der Aktie um 5%. Ist der Beta-Faktor größer als 1, reagiert der Kurs der Aktie im Verhältnis zum Gesamtmaß überproportional. Steigt etwa der Markt um 1%, der Kurs der Aktie dagegen um 1,2%, ist der Beta-Faktor 1,2. Das Papier hat eine überdurchschnittliche Volatilität. Je höher der Beta-Faktor (also die Schwankungsbreite), desto höher das Risiko bzw. die Chance des Investors und desto höher die geforderte Risikoprämie. Ist der Beta-Faktor kleiner als 1, reagiert die Aktie weniger stark als der Markt (geringe Volatilität).
Beta-Faktoren werden täglich in der Presse (z.B. Handelsblatt) und auf diversen Internetplattformen (z.B. OnVista) kostenfrei veröffentlicht. Nachteile dieser kostenfreien Publikationen sind meist unabhängig vom jeweiligen Einzelfall festgelegte Zeitintervalle. Das spielt insbesondere insofern eine große Rolle, als Betafaktoren im Zeitablauf erheblich schwanken können. Die Ermittlung eines Beta-Faktors für abweichende Zeitintervalle muss zumeist durch aufwändige eigene Rechenoperationen erfolgen.
Wesentlich einfacher zu ermitteln und aussagekräftiger im Einzelfall sind die kostenpflichtigen Auskünfte professioneller Finanzdienstleister (z.B. Bloomberg), da die Güte der ermittelten Beta-Faktoren besser nachvollzogen und wesentliche Ermittlungskriterien individuell festgelegt werden können. Die hier gezeigten Beta-Faktoren sind Vergangenheitswerte und verstoßen somit gegen eine zukunftsbezogene Unternehmensbewertung. Da sich Beta-Faktoren im Zeitablauf wie bereits erwähnt erheblich ändern können, ist die unreflektierte Extrapolation der Historie kritisch. Es muss daher untersucht werden, inwieweit die in der Vergangenheit gültigen Risikofaktoren auch zukünftig von Bedeutung sind. Sind grundlegende Strategieänderungen oder der Einstieg in neue Geschäftsbereiche geplant, sollte ein Zukunfts-Beta geschätzt werden.
Abb. 2: Die Beta-Faktoren der DAX-Unternehmen werden täglich im Handelsblatt veröffentlicht (Stand: 23.8.2011)
Die historischen Betas werden durch lineare Regression des Aktienkurses mit einem Aktienkursindex ermittelt. Der Beta-Faktor entspricht dann der Steigung der Regressionsgeraden. Bei der Durchführung der Regression sind mehrere Aspekte erwähnenswert.
Erstens hat die Wahl des Zeitintervalls große Bedeutung für die Höhe des Beta-Faktors. In der Praxis werden in Abhängigkeit vom Einzelfall sehr unterschiedliche Zeitintervalle zu Grunde gelegt, die Spanne reicht i.d.R. von 250 Tagen bis zu 5 Jahren. Zur Steigerung der Stabilität und damit Aussagefähigkeit der Betas werden meistens lange Zeiträume verwandt, i.d.R. 5 Jahre. Dem Vorteil der höheren Stabilität steht dabei der Nachteil gegenüber, dass der Wert auch durch die weiter zurückliegende Vergangenheit beeinflusst wird, der für die Zukunftsbetrachtung u.U. nur eine geringe Rolle spielt. Im gewählten Zeitintervall sollte ein liquider Handel der betrachteten Aktie, sowie ein hinreichendes tatsächliches Handelsvolumen gegeben sein.
Wichtige Hinweise darauf, ob die Aktienkurse die wahren Schwankungen des Marktwerts des Unternehmens unverzerrt widerspiegeln, liefern auch die Geld-Brief-Spanne (Bid-Ask-Spread) und der sog. Free Float. Zeiträume innerhalb des gewählten Zeitintervalls, in denen der Verlauf des Beta-Faktors maßgeblich von außergewöhnlichen Ereignissen beeinflusst wird (z.B. Übernahmeangebot eines Konkurrenten, Restrukturierungsmaßnahmen, Squeeze-out Verfahren) sollten aus der Betrachtung ausgespart werden,
Zweitens wird der Beta-Faktor maßgeblich von der Beobachtungshäufigkeit der Renditepaare (täglich, wöchentlich oder monatlich) beeinflusst. Zusammen mit der Wahl des beobachteten Zeitintervalls, definiert die Beobachtungshäufigkeit letztendlich den betrachteten Stichprobenumfang, der eine gewisse Mindestgröße nicht unterschreiten sollte. In der Praxis werden um Verzerrungen zu vermeiden oft wöchentliche Renditen herangezogen.
Drittens hat auch die Wahl des Vergleichsindex, der als Näherung für die Marktrendite dient, Einfluss auf die Höhe des Beta-Faktors. Der Vergleichsindex sollte derselbe sein, der auch zur Ermittlung der Marktrisikoprämie herangezogen wurde. Kriterien für die Wahl eines sachgerechten Referenzindex sind die jeweilige individuelle Investorenperspektive und die regionale Verteilung der Peer-Group Unternehmen (s.u.),
Viertens ist zu beachten, dass die Regressionsgerade eine Punktewolke von Aktienrendite-Marktrendite-Kombinationen repräsentiert. Wie gut sie das tut, zeigt erst ein Blick auf den Korrelationskoeffizienten. Nur ein hoher Korrelationskoeffizient (möglichst nahe bei 1) bedeutet einen repräsentativen Beta-Faktor. Bei Abruf von Beta-Faktoren über einen professionellen Finanzdienstleister werden in der Regel auch Angaben zum Korrelationskoeffizienten und damit zur Güte des Beta-Faktors gemacht. Die statistische Aussagefähigkeit des Beta-Faktors kann ergänzend auch anhand eines sogenannten t-Tests überprüft werden.
Beim Abruf eines Beta-Faktors über einen professionellen Finanzdienstleister wird in der Regel ein sog. „Raw Beta“ und ein sog. „Adjusted Beta“ ermittelt. Das „Raw Beta“ ist dabei ein rein auf historischen Daten ermittelter Beta Wert, während es sich beim „Adjusted Beta“ um eine auf Basis des historischen „Raw-Beta“ basierende Schätzung des zukünftigen Beta Werts des betrachteten Unternehmens handelt. In der Praxis wird in der Regel das ermittelte „Adjusted Beta“ zu Grunde gelegt.
Zusätzlich zu den eben geschilderten Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Beta-Faktoren ergeben sich zwei weitere Probleme: Erstens sind in Deutschland nur sehr wenige Unternehmen börsennotiert und können ihren Beta-Faktor direkt der Zeitung entnehmen. Zweitens kann sich das geschäftsspezifische Risiko zwischen den einzelnen Bereichen eines Unternehmens z.B. wegen der unterschiedlichen Marktzyklizität, Kapitalintensität, Cash Flow-Prognostizierbarkeit und Wettbewerbsposition so stark unterscheiden, dass bereichsspezifische Betas ermittelt werden müssen. Neben der schlichten Vorgabe des Beta-Faktors bzw. der Renditeforderung (wie sie oftmals in familiengeführten Unternehmen zu beobachten ist) gibt es zwei Möglichkeiten, die eine Anwendung des CAPM zur Kapitalkostenermittlung erlauben.
Beta-Faktor abschätzen
Eine pragmatische Praktikermethode ist es, auf das Fachwissen und die Urteilsfähigkeit des Managements zu vertrauen. In einem Verfahren, das der Potenzialanalyse ähnlich ist, wird der Beta-Faktor anhand der Ausprägung so genannter Risiko-Treiber geschätzt. Um ein solches Risikoprofil zu ermitteln, empfiehlt sich ein etwa eintägiger Workshop, der mit einer (zunächst auf z.B. Moderationskarten geschriebenen) SWOT-Analyse startet. Nach der Clusterung der Risikotreiber sind diese mit einer Gewichtung zu versehen. Anschließend wird von jedem einzelnen Teammitglied (möglichst unabhängig voneinander) die konkrete Ausprägung geschätzt. 1,0 bedeutet dabei ein durchschnittliches Risiko. Die einzelnen Kriterien werden dann zu einem Gesamt-Beta verdichtet. Im Vergleich zur rechnerischen Ermittlung des Beta ist dieses skalierende Vorgehen mehr subjektiv, dafür in der Regel beim Management besser verstanden und akzeptiert.
Abb. 3: Der Beta-Faktor kann auch mithilfe eines Risikoprofils abgeschätzt werden
Vergleichsunternehmen
Der zweite Weg, sich den Beta-Faktor selbst zu „bauen“, besteht darin, das Beta eines vergleichbaren, börsennotierten Unternehmens heranzuziehen. Da es aber kaum ein Unternehmen gibt, das dem zu bewertenden zu 100% gleicht, muss der Begriff „vergleichbar“ weiter gefasst und eine Gruppe von Vergleichsunternehmen aus derselben Branche gebildet werden („peer group“). Diese Unternehmen sollten eine möglichst große Ähnlichkeit mit der zu bewertenden Gesellschaft / SGE aufweisen bezüglich Größe, Geschäftsmodell, gesetzlicher und politischer Rahmenbedingungen, Umsatz- und Ertragsstruktur etc. Alternativ bietet sich die Verwendung von sogenannten „Branchen-Betas“ an. Bei dieser Vorgehensweise werden in erster Linie mehr Unternehmen einbezogen, als beim „Peer-Group-Beta.”
Finanzierungsstruktur berücksichtigen
Wie bereits erwähnt spiegelt sich im Beta-Faktor neben dem Geschäftsrisiko auch das Finanzrisiko (Kapitalstrukturrisiko) wider. Um Betas der Wettbewerber zu erhalten, die nur das Geschäftsrisiko wiedergeben, muss der Einfluss des Finanzierungsrisikos eliminiert werden. Dadurch erhält man Beta-Faktoren bei hypothetischer 100%-Eigenfinanzierung („unlevered / ungehebeltes Beta“) mit
ßu = Beta des unverschuldeten Unternehmens
ßv = Beta des verschuldeten Unternehmens
t = Ertragsteuersatz des Unternehmens
verzinsliches FK/EK = verzinsliches Fremd- / Eigenkapital zu Marktwerten
Der Marktwert des verzinslichen Fremdkapitals kann im Regelfall aus den letzten verfügbaren Jahresabschlüssen (Bilanzwerten), der Markwert des Eigenkapitals aus der jeweiligen Börsen-kapitalisierung abgeleitet werden.
Aus diesen ungehebelten Betas der Wettbewerber lässt sich im nächsten Schritt z.B. durch Bildung eines Durchschnitts der ungehebelte Beta-Faktor der zu bewertenden Gesellschaft / SGE ableiten. Dieser muss dann mit der Zielkapitalstruktur (Verschuldungsgrad zu Marktwerten) „zurückgehebelt“ werden. Dies geschieht mit der Formel:
Die Gleichung zeigt, dass eine Erhöhung des Verschuldungsgrades FK/EK trotz der damit verbundenen geringeren Fremdkapitalkosten nicht unbedingt zu einer Senkung der Gesamtkapitalkosten führen muss. Der steigende Fremdkapitalanteil zieht nämlich auch einen höheren Beta-Faktor und damit höhere Eigenkapitalkosten nach sich (zusätzlich kann auch der Fremdkapitalkostensatz auf Grund des sich ggf. verschlechternden Ratings steigen). Dieser Effekt wird auch Leverage-Risiko genannt. Andererseits steigt aber auch mit zunehmender Fremdfinanzierung die Eigenkapitalquote, solange der Fremdkapitalzins unter der Gesamtkapitalrendite des Unternehmens liegt (Leverage-Chance). Das Ausmaß der Fremdfinanzierung beeinflusst also sowohl Chancen als auch Risiken des Eigenkapitalgebers.
Abb. 4: Ableitung eines Beta-Faktors aus einer „Peer Group“
Fazit zum Beta-Faktor
Die Höhe des Beta-Faktors und damit des Diskontierungszinssatzes hat großen Einfluss auf die Höhe des Shareholder Value. Die holzschnittartige Wiedergabe in kostenfreien Medien ohne die Möglichkeit die Güte des ermittelten Beta-Faktors zu hinterfragen, kann nur einen ersten Anhaltspunkt für interne Diskussionszwecke liefern.
Wenn eine nachvollziehbare Wertfindung eines Unternehmens erfolgen soll bzw. erfolgen muss (bspw. bei geplanten Unternehmensverkäufen, Umstrukturierungsmaßnahmen, Squeeze-out Verfahren etc.), ist eine genaue Analyse des sachgerechten Beta-Faktors im Einzelfall unabdingbar. Andernfalls droht entweder ein Scheitern etwaiger Verkaufsverhandlungen wegen unrealistischer Wertvorstellungen, oder – noch schlimmer – es wird ein zu geringer Preis für ein wertvolles Unternehmen verlangt.
Bei Transaktionen, die eine gerichtliche Zustimmung erfordern, droht die Versagung der Anerkennung des ermittelten Werts durch das zuständige Gericht. Letztlich erfordert eine solche Analyse und Wertfindung im Regelfall die Hinzuziehung eines erfahrenen externen Gutachters.
Wolfgang Heinze und Gerhard Radinger
Erschienen in: Controller Magazin, November/Dezember 2011, S. 48-52