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Verrechnungspreise: Jetzt Jahresendanpassungen zur Margenaussteuerung prüfen
Viele Konzerne haben ein steuerliches Verrechnungspreismodell implementiert, bei dem die Margen der sog. Routineunternehmen (i.d.R. Vertriebsgesellschaften und Auftragsfertiger/ verlängerte Werkbänke) ausgesteuert werden sollen. D.h. um steuerlich im In- und Ausland „tax compliant“ zu sein, erwarten die OECD und die lokalen Finanzverwaltungen, dass sich die tatsächlichen EBIT-Margen oder Kostenaufschlagssätze dieser Routineunternehmen in bestimmten Interquartils-Bandbreiten bewegen, die anhand von Benchmark-Studien ermittelt worden sind.
Warum besteht jetzt Handlungsbedarf?
- Jahresendanpassungen sollten in dem jeweils betreffenden Wirtschaftsjahr ergebniswirksam gebucht werden. D.h. Unternehmen mit einem Wirtschaftsjahresende zum 31.12.2021 sollten jetzt noch notwendige oder sinnvolle Jahresendanpassungen buchen, so lange die Einzelabschlüsse der Konzerngesellschaften noch nicht abgeschlossen sind.
- Diejenigen Unternehmen, die für 2022 erstmals Jahresendanpassungen planen, sollten jetzt die Verträge mit den Routineunternehmen so aufsetzen, dass der Mechanismus der Jahresendanpassung möglichst zweifelsfrei beschrieben wird. Hierbei sollten u.a. folgende Fragen beantwortet werden: Welche Ziel-Interquartilsbandbreite soll gelten? Falls die Ist-Margen außerhalb dieser Bandbreite liegen sollten, wird dann an die Ränder oder auf einen Median der Bandbreite ausgesteuert? Nach welchen Rechnungslegungsgrundsätzen (US-GAAP, IFRS, HGB, local GAAP) sollen die Ist-Margen ermittelt werden?
Aus aktuellem Anlass sei darauf hingewiesen, dass die deutsche Finanzverwaltung in ihrem BMF Schreiben aus dem Juli 2021 eine 180 Grad Kehrtwende bei der Frage der Akzeptanz von Jahresendanpassungen vollzogen hat.
Bisher vertrat das BMF (vgl. Verwaltungsgrundsätze Verfahren 2005) die Auffassung, dass Jahresendanpassungen nicht fremdüblich und nur in ganz wenigen Ausnahmefällen anzuerkennen seien:
- Rn. 3.4.12.8: „Eine nachträgliche Preisberechnung muss auf eine bei Vertragsabschluss vorliegende und festgestellte Ungewissheit über eine oder mehrere Preiskomponenten zurückzuführen sein […], jedoch nicht auf das bei einem Beteiligten entstehende Ergebnis.“
- Rn. 3.4.20 Bst. e): „Vom Steuerpflichtigen vorgenommene Ergebnisanpassungen für die Vergangenheit, die nicht auf im Vorhinein abgeschlossenen Vereinbarungen im Sinne der Rn. 3.4.12.8 beruhen, sind steuerlich nicht anzuerkennen.“
Im jüngsten BMF Schreiben (vgl. Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise vom 14.7.2021) findet man nun ausdrücklich die entgegengesetzte Auffassung, nämlich, dass eine Pflicht zur Anpassung von Verrechnungspreisen besteht, wenn Ist-Margen außerhalb von Ziel-Bandbreiten liegen:
- Rn. 3.42: „Liegt das tatsächliche Ergebnis außerhalb der Bandbreite angemessener Ergebnisse für die jeweilige Renditekennziffer, ist insoweit eine nachträgliche Anpassung des Ergebnisses vorzunehmen.
Zwar haben wir auch bisher schon die Auffassung vertreten, dass Jahresendanpassungen bei z.B. Nettomargen- oder C+ Methoden aus OECD-Sicht zulässig und weltweit üblich sind. Allerdings schafft die o.g. Verschriftlichung in einem BMF Schreiben, das für die deutsche Finanzverwaltung und die deutsche Betriebsprüfung bindend ist, nun Klarheit und Sicherheit für die Unternehmen. Abschließend sei angemerkt, dass diese Anpassungspflicht sowohl bei zu profitablen, als auch bei zu margenschwachen Routineunternehmen besteht. Außerdem soll dieses jüngste BMF Schreiben auf alle offenen Veranlagungszeiträume anwendbar sein – d.h. für alle Wirtschaftsjahre, die noch nicht steuerlich abschließend geprüft worden sind.
Im Ergebnis ist jetzt der passende Zeitpunkt, um je Einzelfall zu überprüfen, ob für das abgelaufene Wirtschaftsjahr 2021 Jahresendanpassungen notwendig oder sinnvoll sind, oder um für das aktuelle Wirtschaftsjahr 2022 die vertragliche Grundlage zu schaffen, um dann Ende des Jahres die Jahresendanpassungen zu buchen, falls dies notwendig oder sinnvoll erscheint. Bei mehrfunktionalen Gesellschaften sollte geprüft werden, ob eine transaktionsbezogene Segmentierung der Gewinn- und Verlustrechnung nötig oder sinnvoll ist. Außerdem sollte die Möglichkeit von Mehrjahresdurchschnitten bei der Ermittlung der Ist-Margen geprüft werden. In der Praxis stellen sich noch weitere Detailfragen (z.B. Zoll-/ Umsatzsteuernachmeldungen), auf die leider im Rahmen dieses Kurzbeitrags nicht eingegangen werden kann.
Autor: Jörg Hanken, Steuerberater, PwC Partner, Trainer bei der CA controller akademie, Autor „Verrechnungspreise – Praxisleitfaden für Controller und Steuerexperten“ (3. Auflage, Dez. 2020)